Aussichten der Natur
- florianmatzke
- 14. Juli 2022
- 2 Min. Lesezeit
Angesichts des Klimawandels, der Versauerung der Ozeane oder des Massensterbens, scheint kaum noch Grund zur Hoffnung zu bestehen, dass die Natur auch in Zukunft in ihrer Schönheit und Lebendigkeit und die Erde als Wohnort erhalten bleibt . Doch es gibt Auswege.
Ehemals war der Himmel voll mit Vögeln. Ehemals streiften unzählige Tierarten durch die Wälder. Ehemals waren die Gewässer voller Leben. Doch inzwischen schwindet die Vogelwelt unaufhaltsam dahin und die roten Listen werden täglich länger. Viele Tiere sind inzwischen zur bloßen Fabel geworden. Viele Naturlandschaften werden zerschnitten, eingeebnet oder in Schutt und Asche gelegt. In den Meeren und Ozeanen herrscht eine gähnende Leere. Um uns herum ist es tödlich still geworden. Die Orchester der Insekten und Amphibien sind kaum noch zu vernehmen. Immer mehr Überschwemmungen, immer mehr Stürme, immer heftigere Dürren, immer mehr Waldbrände. "Die eigene Heimat könnte für Milliarden von Menschen in den kommenden Jahrzehnten zur existenziellen Gefahr werden." (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-06/klimawandel-erderwaermung-klima-daten-hitze-unbewohnbar) Die Erwärmung der Atmosphäre, Landflächen und Ozeane, die Schrumpfung der Kryosphäre, der Anstieg des Meeresspiegels, die radikale Ausbeutung sogenannter Ressourcen: Die Aussichten der Natur sind düster. Wöchentlich, nein täglich, wird uns die „extreme Zerbrechlichkeit“ der dünnen Haut der Erde, der kritischen Zone, der „fragilen Membran des Lebens“ vor Augen geführt. Dass die Bewohnbarkeit des Planeten alles andere als selbstverständlich ist, hat bereits Schopenhauer vor über 150 Jahren erkannt.
„Mittlerweile ist sich jede/r der existentiellen Bedrohung unserer (gemeinsamen) Lebensbedingungen auf dem Planeten Erde bewusst, doch nur sehr wenige besitzen eine Vorstellung davon, wie sie mit dieser neuen KRITISCHEN Situation umgehen sollen. Die BürgerInnen vieler entwickelter Länder wirken desorientiert; fast so, als würde man von ihnen verlangen, auf einem neuen Terroir – einer neuen Erde – zu landen, deren Reaktionen auf ihr Wirken sie lange ignoriert haben.“ „Wie sollen wir mit der Prekarität unserer erdgebundenen Gegenwart umgehen?“ ((https://zkm.de/de/ausstellung/2020/05/critical-zones) Wie können wir die bedrohten Lebenswelten bewahren? Was sollen wir trotz anhaltender Verwüstung und Bleiche tun?
Noch ist nicht alles verloren. Noch brauchen wir keine „ästhetische Kompensation“. Natur muss nicht „zur Projektion, zum Imaginären“ werden. (1) Denn es gibt noch zahlreiche, lebendige und schöne Naturlandschaften, in denen die Klänge und Gesänge der Insekten und Vögel zu hören sind, in denen wir das Flattern, Krabbeln und Summen der Insekten vernehmen können. Noch können wir mit offenen Ohren und Augen uns in einem Hochgebirge, an einem Fluss- oder Seeufer, an der Küste oder in einem Auwald, auf einer Heide oder einer Blumenwiese aufhalten. Noch können wir unter dem Himmel liegen und die Wolken und Sterne beobachten. Zwar lebt ein Großteil der Menschen heute in Großstädten und verbringt viel Zeit mit digitalen Medien, doch lässt sich eine „Unmittelbarkeit von Natur“ wiedergewinnen.
Wir müssen alles daran setzen, wieder terrestrisch zu werden, zwischen Erde und Himmel zu wohnen. Und als Erdbewohner zu begreifen und alle Lebensformen um uns als Mitglieder einer globalen Wohngemeinschaft wahrzunehmen. Was es braucht ist „eine allgemeine Hinwendung zur Erde und eine neue Aufmerksamkeit dafür, wie Lebewesen sie bewohnen“ und wie wir Menschen im Miteinander mit anderen Lebensformen leben könnten. Was es braucht ist eine Praxis lebensbejahender Fürsorge.
(1) Hartmut Böhme: Aussichten der Natur




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